Das Tourismusland Österreich und Friedrich Schiller

KommR Manfred Rieger, der Spartenvorsitzende des SWV NÖ im Tourismus und in der Freizeitwirtschaft

Fiesco. Ich höre Tritte. Sie sind's. Kerl, du verdientest deinen eigenen Galgen, wo noch kein Sohn Adams gezappelt hat. Geh ins Vorzimmer, bis ich läute.
Mohr (im Abgehen). Der Mohr hat seine Arbeit gethan, der Mohr kann gehen. (Ab.)*
So fühlen sich heute die Touristiker wohl im Lande.
In den letzten 60 Jahren stieg Österreich zu einem einzigartigen Tourismusland auf: Ist es im Westen Österreich hauptsächlich die imposante Natur mit ihren tollen Leistungsträgern, die Scharen von Menschen angezogen hat, welche sich in einer weltweit einzigartigen Mischung aus Gastfreundschaft, Infrastruktur und einer Natur, die aufgrund ihrer Schönheit beim Betrachter große Faszination auslöst, so war der Osten Österreichs der Schmelztiegel Europas. Als die Habsburger-Dynastie getreu ihrem Leitspruch: „Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate“ eine unvergleichliche Fülle an Schlössern, Burgen und Prachtbauten ungewollt geschaffen haben, entstand in der Neuzeit eine neue Art des Reisens: Der Städtetourismus! Millionen Gästen aus aller Welt tauchen tief in die Vergangenheit Österreichs ein und genießen heute moderne Städte mit historischem Hintergrund.
Aber gibt’s da nicht noch was?
Immer wenn ich gefragt wurde: „Was ist das Erfolgsgeheimnis des Tourismuslandes Österreich?“, habe ich mit vollem Stolz von der Vielfalt unserer Betriebe geschwärmt. Das Beisel am Eck, wo ein Gulasch und ein Seidel Bier zum Gabelfrühstück für die hart arbeiteten Meschen noch leistbar war, bis zu den tollen „Jungen Wilden Köchen“, die heute eine moderne Küche, aufgebaut auf Wurzeln der Österreich–Ungarischen Monarchie in der Welt zu einem unvergleichlichen Geschmackserlebnis geführt haben.
Nicht zu vergessen die unzähligen Lokale, die wir alle kennen und wo uns mit vielen auch persönliches verbindet. Sei es die Erinnerung an unser erstes Date/den ersten Kuss oder die Taufe unserer Kinder. Jeder kennt sie und diese Betriebe waren ein fester Bestandteil der Identität Österreichs.
Und weil wir mehrmals schon die Zeit der Habsburger beleuchtet haben, stelle ich Euch eine Frage:
„tu felix austria quo vadis?“ - umgangssprachlich übersetzt: „Glückliches Österreich, wohin gehst du?“
In einer Zeit der Realwirtschaft - das war jene wo wir in Österreich mit unseren Händen, Werte für Generationen schaffen konnten und trotzdem noch Zeit für ein funktionierendes Vereins- und Gesellschaftsleben gefunden haben - scheint vorbei.
Heute verdienen Glücksritter am Kapitalmarkt Summen, die ganze Dörfer mit Ihren Händen nicht verdienen können. Ist das der Grund, warum der „Mohr Tourismus“, so wie viele andere einst ansässige Dinge exportiert werden?
Österreich als Exportweltmeister. Wir, der Tourismus, exportieren aber neben Arbeitsplätzen, Tierschutz, Umweltschutz, Bildung, Energieversorgung auch…
...Lebensfreude!
Das hart erworbene Recht auf Lebensfreude, auch Urlaub genannt ist kein Jahrhundert lang verankertes Menschenrecht. 1977 kam die Anpassung für alle Arbeiter und Angestellte auf 4 Wochen und erst seit 1986 gelten 5 Wochen. Am Rande erwähnt: Beides unter SPÖ-Kanzler.
Vereint mit vielen weiteren tollen sozialen Maßnahmen, wurde es für viele Österreicher möglich, die wachsenden Angebote im Tourismus auch zu konsumieren.
Wir, der Tourismus, blühten auf.
Wann Oma rief, kam die Familie in eines der Ausflugsgasthäuser am Wochenende zusammen und die Vielzahl der Mitarbeiter*innen, die damals oft als „Wochenende Aushilfen“ ihr Gehalt aufgebessert oder zum Studium was dazu verdienen mussten, haben damit auch einen Beitrag zum funktionieren der kleinsten Zelle einer Gesellschaft- DER Familie, beigetragen. Die Seen im Sonnenland Kärnten wurden zum Hotspot und der Wanderurlaub in den Bergen ein Erlebnis für sich.
Wo Nachfrage, da Angebot! Tolle Unternehmer*innen haben mit Ihren Familien und einem Heer von motivierten Mitarbeiter*innen das Tourismusland Österreich aufgebaut. Eines der wichtigsten Entwicklungen aus jener Zeit ist die gewachsene Tatsache, dass wir eine Gastronomie hatten, die nicht nur leistbar für alle war, sondern auch den Betrieben den finanziellen Rahmen bot, Gewinne zu erarbeiten und ständig das Angebot zu evaluieren. Heute fast unverständlich: Das passierte bei einem Zinsniveau von 8-12 %!
Die Sozialpartner – Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer - lieferten sich Schaukämpfe in einer wachsenden Wirtschaft. Frei nach der österreichischen Seele: „A bisserl geht immer!“ wurde sehr homogen das Wachstum verwaltet. Eine Digitalisierung wird von beiden gefordert. Wenn aber Digitalisierung zu einer Modernisierung der eigenen Wahlsysteme führt und es damit verbunden um den Machterhalt geht, kommt sofort Sand in das Getriebe und wir finden statt einer Digitalisierung eine Entwicklung zurück zum Bleistift vor. Aber das nur am Rande.
Ich bin seit dieser Zeit glühender Fachvertreter für den Tourismus! Es ist mir immer schon ein Anliegen gewesen, die Sorgen und Ideen meiner Kolleg*innen zu den politischen Entscheidungsträger*innen mit Nachdruck zu transportieren und hier zu einer Feinjustierung beizutragen. Vieles passiert in einer „Cloud“ auf neudeutsch gesagt. Das heißt, nicht hinter verschlossenen Türen, sondern in einer Vielzahl von Gesprächen, wo hohe Überzeugungskraft, Fachwissen und Fingerspitzengefühl erforderlich ist. Fingerspitzengefühl ist im Übrigen wohl nicht meine Stärke, denn mein Fachwissen drängt oft auf schnellere Umsetzungen, als es den Entscheidungsträgern möglich ist.
Die Verlängerung der Haftungen für Coronakredite, Kurzarbeit 24 Monate Befristung, Bilanzdarstellung der erhaltenen Förderungen als Mezzanin Kapital, Österreichisches Gesetz zu Stundungen, EBA-Leitlinien zu Moratorien, Umsatzersatz, Anerkennung von aller Impfungen, welche die WHO freigegeben hat, Gespräche mit Nachbarländern wegen Quarantänebestimmungen für Reiserückkehrer und eine Vielzahl weiterer Themen beschäftigen uns gerade massiv.
Der Weg von einem „MAN MÜSSTE“ zu einem Gesetzesentwurf, egal ob Landtag oder Parlament, ist ein weiter und steiniger. Die demokratische Zusammensetzung des Parlamentes spiegelt auch die Wünsche der einzelnen Wählergruppen. Das ist legitim und wichtig. Daher ist es auch verständlich, dass nicht jedes Thema die nötige Mehrheit findet.
Durch das Fachwissen, welches ich mir in 28 Jahre Selbstständigkeit aneignen durfte, vereint mit der daraus resultierenden Fixierung auf Lösungen, haben zum Beispiel dazu geführt, dass letztes Jahr die Anpassung der Entschuldung bei Insolvenz (Unternehmen und Private) unter strengen Auflagen auf drei Jahre verkürzt wurden. Im Augenblick wünsche ich mir, dass niemand das braucht, aber für jene Betroffene habe ich hier einen wichtigen Aspekt für ein würdevolles Leben nach der Insolvenz gesehen. Auch muss in Österreich eine neue Art der Kommunikation im Bezug auf eine Insolvenz erfolgen. Viele, die unschuldig in die Insolvenz durch oftmals wahnwitzig anmutende Maßnahmen abrutschen, brauchen sich nicht verstecken! Eine Insolvenz ist nicht der Untergang der Welt, wenn die Rahmenbedingungen für einen Neubeginn stimmen.
Bei Betrachtung der kurzfristigen Maßnahmen wurde mir vor einem Jahr schon der Glaube an das System genommen. Keine Planbarkeit, Selbstbeweihräucherung und Phrasendreschen wurde zu meinem Synonym der Corona Krise. Bildlich gesprochen empfinde ich es so: Entscheidungsträger stehen mit einem Benzinkanister bei einem offenen Feuer und gießen ständig nach; Im selben Augenblick wollen sie aber den Eindruck eines profunden Einsatz-Kommandanten erwecken, der alles fest im Griff hat.
Das bipolare Verhalten von Entscheidungsträgern hat sich tief in meinen Kopf gebrannt!
Kommen wir mit einer Frage auf den Tourismus zurück: „Was interessiert 80 % der Wiener Bevölkerung, ob in Tirol Kinder, weil selten geimpft oder genesen – ergo kein 2 G, bei Ihrer Heimreise 10 Tage in Quarantäne müssen?“ Meine Expertise: NULL.
Der Verlust des Denkens auf das große Ganze, einem Grundgedanken der EU, Stichwort Reisefreiheit, hin zur Machtergreifung des kleinregionalen Denkens der einzelnen Landesfürsten, von jenen gibt es in Europa viele, z. B.: Bayerns Ministerpräsident Söder, sorgen dafür, dass unsere Branche zu einer Branche der Almosenempfänger*innen wird.
Selbstverständlich sind die österreichischen Unterstützungsleistungen exorbitant hoch, dennoch: Heruntergebrochen auf den einzelnen Betrieb fehlt die Liquidität und die Aussicht auf ein rasches Ende. Auf die Fragen wer soll das bezahlen, gibt es nur eine Antwort: Jeder einzelne! Dazu gibt es die Inflation. Nur über diese kann sich ein Staat entschulden. In der Türkei erleben wir gerade, wie das ablaufen wird.
Noch ein Indikator für mich, dass der Mohr Tourismus seine Schuldigkeit getan hat, ist das Ausufern der Verwaltung. Es kam in den letzten Jahren zu einem Verwaltungssystem, das nach dem genialen Schriftsteller Cyril Northcote Parkinson benannt wurde.
Was ist eigentlich das PARKINSON-GESETZ? Arbeit lässt sich wie Gummi dehnen, um die Zeit auszufüllen, die für sie zur Verfügung steht.
Um seine Beobachtungen mit Zahlen zu untermauern, sah sich Parkinson die Statistiken der Admiralität näher an und entdeckte Erstaunliches. 1914 besaß die britische Marine noch 62 Großkampfschiffe, 146 000 Offiziere und Matrosen, 3249 Werftbeamte und -angestellte und 2000 Beamte in der Admiralität. 14 Jahre später war die Zahl letzterer um mehr als 78 Prozent gestiegen, während die der Offiziere und Matrosen fast um ein Drittel gesunken war. Und Schlachtschiffe gab es nur noch 20.
Wie ein Ethnologe einen Indianerstamm betrachtet er das Biotop Verwaltung. Und dort beispielsweise den seltsamen Ritus der Personalauswahl, wie er früher in England (Früher? Und nur in England?) üblich war. Qualifikation? Fähigkeiten? Ach, wen interessiert das. Wichtig ist, wer die Person ist. Soll heißen, mit wem sie verwandt ist.
Österreicher haben das Bauchgefühl entwickelt, dass dieses System sehr erfolgreich umgesetzt wird. Sollte es keinen Raum für neue Kontrolleure mehr geben, werden eine Vielzahl von Maßnahmen gesetzt, um neuen Wirkungsbereich zu schaffen. Oftmals wurde in der Vergangenheit auch hier der Mohr Tourismus als interessantes Betätigungsfeld auserkoren. Die Betroffenen wissen, wovon ich schreibe!
Resümee.
Der Almosenempfänger Tourismus ist durch schwere Denkfehler im Corona-Management zu dem Bestraften geworden, obwohl er nicht der Verursacher ist. Dem Wirten als verlängerter Arm der Exekutive in der Funktion als Corona-Scheriff wird nun sogar mit dem Entzug der Almosen gedroht, bei Nichteinhaltung der Maßnahmen. Wir, die Gastronom*innen und Beherberger*innen, haben sich mehr als redlich in der Umsetzung von den uns aufoktroyierten Verordnungen bemüht. Aber das, Konzepte der Prävention und eine Vielzahl von einzigartigen Teststraßen, einzigartig weil kostenlos, haben alles nichts genutzt.
Wir sind nach 20 Monaten Pandemie an einen Punkt des absoluten Vertrauensverlustes angelangt:
Uns vertrauen die Mitarbeiter, Gäste und Banken nicht mehr!
Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen
* Zitat aus Friedrich Schillers Drama "Die Verschwörung des Fiesco zu Genua"
*Quellenangabe: Projekt Gutenberg/Fiesco